“Lebe lieber ungewöhnlich” lautet erneut das Motto Danny Boyles. Nach der gemischten, kommerziell unbefriedigenden Resonanz der Verfilmung des gleichnamigen Originalstoffs seiner loyalen Feder John Hodge adaptiert der “Trainspotting”-Regisseur wieder einen Bestseller. Eine Mischung aus Abenteuerfilm und Zivilisationsutopie, die Alex Garland 1996 mit Presse- und Publikumsecho zu Papier brachte und sich nun über das Charisma von Hauptdarsteller Leonardo DiCaprio hinaus vor allem als Augenreiz mit beträchtlichen Schauwerten empfiehlt. Sieht man vom Gastauftritt in “Celebrity” ab, ist “The Beach” DiCaprios erster Film seit “Titanic” und “Der Mann in der eisernen Maske” – und dank Sujet, Zugänglichkeit, Schauplatz und Bilderzauber prädestiniert für einen weiteren Hit. “Sich für alles offenhalten und Erfahrungen einsaugen” ist das Motto des Erzählers, das gerade ein jugendliches Publikum ohne Widerstände für ihn einnehmen dürfte. Auch das in “Titanic” aufgebaute, vor allem von weiblichen Fans angenommene Image als romantischer Liebhaber kann DiCaprio in der ersten Hälfte pflegen, bevor seine Figur egoistische, zunehmend archaische Züge zeigt und sich in den Kontaktbereich zum Wahnsinn begibt. Wie es dazu kommt, entfaltet sich in Rückblenden. Auf der Suche nach neuen, realen Erfahrungen, Ergänzungen zum stellvertretenden Leben in der ermüdenden Chip-Kultur stößt Rucksacktourist Richard in Bangkok auf eine Karte, die die Lage eines verborgen gebliebenen Traumstrandes beschreibt, an dem eine Handvoll Aussteiger eine tropische Kommune des gepflegten Müßiggangs errichtet haben. Die Exklusivität dieses Paradieses wird mit strenger Geheimhaltung, striktem Kontaktverbot mit dem Festland und Missachtung moralischer Gebote gewahrt, so dass man in “Hotel-California”-Tradition zwar vielleicht ein-, aber nicht mehr auschecken kann. Den Wunsch nach Flucht lässt das von Kameramann Darius Khondji in süffigen Tropenbildern eingefangene Eiland anfangs allerdings gar nicht zu, als es DiCaprio und dem ihn begleitenden Franzosenpärchen (Virginie Ledoyen, Guillaume Canet) gelingt, die von Tilda Swinton geführte Kommune zu finden und von ihr aufgenommen zu werden. Die Erschütterung des Paradieses wähnt man in destruktiven menschlichen Eigenschaften wie Neid und Eifersucht, oder in der Aufgabe der Individualität, die wie schon bei Herman Melville (“Typee”) in der uniformen Tätowierung angedeutet ist. DiCaprios Eroberung der sinnlichen Olivier-Assayas-Entdeckung Ledoyen bleibt aber weitgehend folgenlos. Die gravierenderen Konfikte kommen abseits vom moralischen Verfall vor allem von außen – von Drogenfarmern oder Touristen. Dass das Glück schwer erkauft ist, verdeutlicht Boyle an den Verletzten einer Hai-Attacke, deren Leid die Perfektion trübt, was in einem konkreten Fall zur Abschiebung führt. In dieser Phase mutiert Richard, zum Wachdienst in der Wildnis bestraft, zum animalischen Individualisten, der sich zum Herrn des Dschungels berufen fühlt und von Boyle in einer cleveren und witzigen Sequenz zum Helden eines Action-Videogames gemacht wird. Richards Persönlichkeitssprünge sind symptomatisch für Doyles Probleme mit der Charakterisierung seiner Figuren, die nur in der Theorie über das Oberflächliche deutlich hinausgeht. Wo Zeit für Introspektion verloren wurde, zeigt “The Beach” auf den ersten Blick nicht. Überflüssig wirkt im Grunde nichts, und Kunstpausen erlaubt sich dieser visuell mitunter magnetische Abenteuerfilm auch nicht. So gewinnt man den Eindruck eines fesselnden Unterhaltungsfilms, der von mehr Zeit und damit vielleicht auch mehr Komplexität wohl profitiert hätte, aber ungeachtet dessen international zu Boyles erfolgreichstem Film werden könnte. kob.
Originaltitel: The Beach Sprache: Deutsch DD 5.1/Englisch DD 5.1 Untertitel: Englisch/Dt. f. Hörg. Regie: Danny Boyle
Darsteller: Leonardo DiCaprio (Richard), Tilda Swinton (Sal), Virginie Ledoyen (Francoise), Guillaume Canet (Etienne), Paterson Joseph (Keaty), Robert Carlyle (Daffy), Peter Youngblood Hills (Zeph), Jerry Swindall (Sammy), Lars Arentz-Hansen (Bugs), Staffan Kihlbom Thor (Christo), Magnus Lindgren (Sten)
Produktion: Andrew Macdonald Produktionsland: USA Produktionsjahr: 2000 Bildformate: 1:2,35/16:9 Mehrkanalton: Dolby Digital 5.1 Laufzeit: 115 min. Features: Audiokommentar, Musikvideo, Entfallene Szenen, Artwork
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