Nach “Verblendung” widmet sich David Fincher erneut der Verfilmung eines Thriller-Bestsellers und erzählt vom Zusammenbruch einer heilen Beziehungswelt und den perversen Auswüchsen einer von Medien bestimmten Öffentlichkeit. Bereits in David Finchers letztem Thriller “Verblendung” diente das aufzulösende Verbrechen nur als Hintergrund, um einen bösen Blick auf die Rollen der Geschlechter zu werfen. Doch anders als in der Verfilmung von Stieg Larssons Bestseller, in der Rooney Mara als knochentrockene Punk-Amazone Lisbeth Salander gnadenlos gegen Männerallmachtsfantasien antritt, geht es in “Gone Girl” weniger um das große Ganze, sondern vielmehr um den Mikrokosmos einer nur nach außen hin perfekt funktionierenden Beziehung. Es geht um die Subjektivität der Wahrheit und das Verteidigen der eigenen moralischen Hoheit – und weißt dadurch schließlich doch wieder weit über sich selbst hinaus. Zunächst gibt es nur wenige Hinweise darauf, dass die Ehe von Nick und Amy Dunne schon länger verrottet. Nick, gespielt von einem sichtlich aufgepumpten Ben Affleck, meldet seine Frau eines Tages als vermisst. Das Chaos im Wohnzimmer lässt auf ein Verbrechen schließen und die Polizei nimmt ihrer Arbeit sorgfältig auf. Auch die kleine Gemeinde in Missouri nimmt Anteil und startet eine Hilfskampagne. Nick scheint jedoch etwas zu reserviert angesichts der Tatsache, dass seine geliebte Frau eventuell einem Schwerverbrechen zum Opfer gefallen ist. Und wie groß die Liebe zwischen den beiden gewesen sein muss, erzählt Fincher parallel durch Tagebucheinträge Amys, die noch einmal ihren gemeinsamen Anfang in New York aufleben lassen. Doch nach und nach wird die Fassade brüchig. Ist Nick wirklich der liebenswerte Ehemann? Warum bekommt er nachts unbekannte Anrufe aufs Handy? Wie unglücklich war Amy nach dem Umzug in die Provinz? Fürchtete sie gar um ihr Leben? Schon bald schlägt Nick Argwohn entgegen und die überregionalen Medien entdecken in ihm ein dankbares Opfer. Wie schon die Buchvorlage von Gillian Fynn, die vor zwei Jahren in den USA innerhalb kürzester Zeit zum Megabestseller und Gesprächsstoff jeder Ü30-Party wurde, ist auch Finchers Thriller am besten, als er nach dem ersten Drittel die Erwartungshaltung des Publikums unterläuft und Nick als potentiellen Wolfs im Schafspelz zeigt. Leider eilt der Film aber schnell zum nächsten Plot Point und der versierte Thrillerfan ahnt bereits, dass auf diesen frühen Twist weitere folgen müssen. Noch einige Male schlägt die Geschichte Haken, wobei nicht jeder gleich glaubwürdig ist. Gerade gegen Ende hin fällt die Konstruktion des Storygebildes recht abenteuerlich aus. Und auch Rosamund Pike ist als Amy von Beginn an zu kalt, als dass sie später im Hin und Her der Verdächtigungen große Sympathiepunkte auf sich vereinen könnte. All dies wird jedoch von der perfekten, reduzierten Inszenierung aufgefangen. Fincher verzichtet noch stärker als bereits in den beiden Vorgängern (“Verblendung”, “The Social Network”) auf visuelle Spielereien, die noch seine Werke wie “Fight Club”, “Panic Room” und “Der seltsame Fall des Benjamin Button” prägten. Er verlässt sich stattdessen vollständig auf sein untrügliches Gespür für Atmosphäre und punktgenaues Timing. Dunkle, klar kadrierte Bilder dominieren den Ton. Nur selten, wie in einer nächtlichen Szene in New York, als Puderzucker wie Schnee durch die Gasse weht, schiebt sich die Ästhetik in den Vordergrund. Währenddessen überzeugt Affleck als Mann, der zum Gejagten der Medienmeute wird, und dessen Konstrukt einer heilen Welt gnadenlos über ihm zusammenbricht, ohne dass es für ihn einen befreienden Ausweg gibt. Fast unbemerkt pflanzt Fincher dem Publikum unangenehme Fragen in den Kopf: Versteckt sich hinter der Person, die ich als meinen Partner zu kennen glaube, ein unbekanntes, erschreckendes Wesen? Wie gehe ich mit dieser Unsicherheit um? Dass er den Zuschauer nicht mit einem Happy End entlässt, sondern mit einer bitteren Erkenntnis über den lähmenden Kitt, der eine Beziehung über Jahre zusammenhalten kann, ist letztlich ebenso konsequent, wie zynisch und ernüchternd. mahe.
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