Im ersten mit High Definition Digital Camera gedrehten, abendfüllenden Kinofilm entführt “Asterix”-/”Alien IV”-Effektzauberer Pitof den geneigten Cine-Fantasten ins Paris des frühen vorigen Jahrhunderts, wo Gerard Depardieu als Detektiv von moderner Denkweise einer geheimnisvollen Mordserie in besten Bürgerkreisen gegenüber steht. Parallelen zum letztjährigen “Pakt der Wölfe” sind unübersehbar, und das nicht nur, weil hier wie da Stil klar vor Inhalt geht. Ab 1811 machte er tatsächlich als Chef der Sureté die Straßen von Paris sicher: Eugène François Vidocq, ein Gauner, der zum Detektiv aufstieg. Vidocq stellte ballistische Untersuchungen an, erfand die Kriminalitätskartei und gilt als Vater des modernen Ermittlungswesens. Er befehligte eine Kompanie von 28 Detektiven, die alle ehemalige Polizisten waren, sein Wirken inspirierte Literaten wie Poe, Balzac, Doyle oder Melville und natürlich Filmemacher. Pitof interessiert die historische Biografie nur am Rande, aber immerhin ist es gut zu wissen, dass die im Film präsentierten Accessoires wie z.B. Vidocqs opulente Verkleidungsgarderobe oder sein Obduktionslabor nicht der Phantasie eines Autoren entspringen. 1830 ist der Superfahnder, glänzend verkörpert vom barocken Genusstypen Gerard Depardieu, einem mysteriösen Phantom auf der Spur. Umhüllt von einem wallenden, schwarzen Sensenmann-Umhang und verdeckt von einer Spiegelmaske (“Scream” lässt grüßen), treibt der anonyme “Alchemist” sein Unwesen in den engen Gassen der Seine-Metropole, hier Großbürgerleichen stapelnd, dort eine Unterschichtmaid auf Nimmerwiedersehen verschwinden lassend. Vidocq ist dem Unhold bereits dicht auf den Fersen, als ihn, gleich zu Filmbeginn, das Schicksal in Form eines vermeintlichen Todessturz ereilt. Von nun an obliegt es seinem jungen Biographen Etienne (Guillaume Canet), die Puzzlestücke zum Bild zusammen zu fügen. Etienne fragt und forscht sich durch Vidocqs Bekannten- bzw. Verdächtigenkreis, in Rückblenden enthüllt der Film eine bizarre Geschichte von Mord, sexueller Begierde und dem Traum der ewigen Jugend – während die Interviewten bald darauf kreative Tode sterben. Erst das actiongeladene Finale furioso enthüllt die ganze Tragweite des Geschehens und Eleganz von Vidocqs List. Prachtvolle Kulissen, rasante Schnitte und Kamerafahrten, eine effektgeladene Horror-Kriminalgeschichte am Vorabend einer französischen Revolution, und ein Detektiv, der seiner Zeit in jeder Hinsicht voraus ist, erinnern nicht von ungefähr an Christophe Gans’ gallischen Kassenerfolg “Pakt der Wölfe” aus dem vorigen Jahr. Auch bei Pitof ist das Bild König, fristet die Story ein löchriges Nischendasein zugunsten brillanter Effektchoreographie. Man mag darüber streiten, ob das digitale Bildformat dem Ausstattungswunder entgegen kommt, oder aber das Vorhaben, den Zuschauer in ein anderes Jahrhundert zu versetzen, nicht eher sabotiert. Wer einfach bloß sein rechtmäßiges Quantum an Realitätsflucht einfordert, nicht jedes Story-Detail auf die Logik-Goldwaage legt und sich dem rauschhaften Bilderbogen freimütig hingibt, der wird mit “Vidocq” sein goldstrahlendes Wunder erleben. ab.
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