Viktor Hugos sozialpolitischer Romanklassiker von 1831 um den Leidensweg einer tauben Mißgeburt im Paris des 15. Jahrhunderts wirkt auf den ersten Blick kaum als Stoff für ein kurzweiligen Zeichentrick-Musical für die Kleinsten an. Doch unter der Federführung der “Das Schöne und das Biest”-Co-Regisseure Gary Trousdale und Kirk Wise wurde die rührende und makellos realisierte Außenseiter-Geschichte nach ausgiebiger Modifizierung der Story und des Protagonisten kindertauglich gemacht. Das ambitiontierte Projekt birgt trotz aller Verniedlichung jene Elemente der Geschichte, die eher für ein erwachsenes Publikum geeignet sind – Mord, Unterdrückung, Demütigung, brandschatzen, kaum verhohlene sexuelle Gelüste. Doch wo es sich beim Glöckner im Original um einen grotesken Krüppel handelt, ist der Quasimodo dieser Inkarnation zwar mit Buckel, schiefen Zähnen, hängendem Augenlid und Ebernase nach wie vor von ausgemachter Häßlichkeit, doch verbirgt sich hinter dem abstoßenden Äußeren eine sensible Teenager-Seele mit einem Herz aus Gold. Locker-leichtherzig von “Amadeus” Tom Hulce gesprochen und gesungen, wird der symphatisch-liebenswerte Grundtenor der Titelfigur zusätzlich unterstrichen. Die acht Kompositionen von Alan Menken (Musik) und Stephen Schwartz (Text), die zuletzt für die Songs von “Pocahontas” mit einem Oscar geehrt wurden, fügen sich nahtlos in die Erzählung ein und werden entsprechend der schwermütigen Prämisse vorwiegend in getragenem Moll intoniert. Der Vorspann zeigt den grausamen Richter Frollo (um Kontroversen zu vermeiden, wurde seine Figur vom Klerus in die Jurisdiktion verlegt), wie er hoch zu Roß Quasimodos Zigeunermutter in den Tod hetzt. Das monströse Baby wächst im Notre Dame auf, wo ihm sein “Mentor” Frollo regelmäßige Besuche abstattet. Die einzigen Freunde der einsamen, künstlerisch veranlagten Kreatur sind drei sprechende gothische Steinfiguren, die als die obligatorischen niedlich-spaßigen Sidekicks fungieren und sämtliche Lacher für sich verbuchen können. Beim alljährlichen Fest der Narren widersetzt sich Quasimodo den Geboten seines Meisters Frollo und begibt sich aus seiner sicheren Enklave im Glockengebälk in die verführerisch lockende Außenwelt (seiner Sehnsucht macht er mit dem Song “Out There” Luft), wo er vom unkontrolierten Pöbel prompt grausamen Demütigungen ausgesetzt wird. Die rassig-rebellische Zigeunertänzerin Esmeralda, von Demi Moore gesprochen, die auch als optisches Vorbild diente und einen provozierenden Speerstangentanz hinlegt, der “Striptease” alle Ehre gemacht hätte, kommt ihm couragiert zur Hilfe und zieht so den Unbill Frollos auf sich. Dieser verzehrt sich in glühender Leidenschaft nach ihr, was sich bei dem leidenschaftlichen Zwiegesang “Hellfire” offenbart. Esmeralda flüchtet sich in den nahen Notre Dame, wo sie sich mit Quasimodo anfreundet. Verliebt ist der bucklige Outcast fortan um das Wohl der kurvenreichen Schönen besorgt und findet in seinem Herz selbst die Größe, ihrem bärtigen Verehrer, dem Kapitän der Wache Phoebus (Kevin Kline bringt eine selbstironische Note ein), nicht nur den Vortritt zu lassen, sondern auch sein Leben zu retten. Im Notre Dame kommt es zum spektakulären Finale, bei dem Quasimodo seiner angestauten Verzweiflung mit siedendem Pech freien Lauf läßt. Die hervorragend realisierte Animation, besonders die Kulisse des Notre Dame mit seinen imposanten Bleiglasimpressionen und atmosphärischen Licht- und Schatten-Bildkompositionen und das bunte Straßenleben des mittelalterlichen Paris, ist schlichtweg überwältigend. Die wunderschöne Optik und die deutliche Botschaft, daß nur innere Werte und wahre Freundschaft zählen, machen das Zeichentrickabenteuer trotz des teils vielleicht zu erwachsenen Gesamtkontexts zu einem berührenden Erlebnis und einem weiteren Meilenstein in der Geschichte des Animationsfilms. ara.
Originaltitel: The Hunchback of Notre Dame Sprache: Deutsch/Englisch Regie: Gary Trousdale, Kirk Wise Produktion: Don Hahn Produktionsjahr: 1996 Bildformate: 1:1,78/1080p Medienanzahl: 1 Laufzeit: 91 min.
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