Modernes Märchen über drei Einzelgänger in einem großbürgerlichen Pariser Wohnhaus und die Unvorhersehbarkeit des Lebens. Die Concierge ist eine französische Institution, schon bei Schriftstellern des 19. Jahrhunderts wie Honoré de Balzac und Eugène Sue ein Hausdrachen, der aus seiner Loge alles kontrolliert und die Geheimnisse der Bewohner kennt, sich ungefragt in deren Leben mischt, ein Wachhund in den schwarz-weiß-Fotografien eines Robert Doisneau. Bereits Filmpionierin Alice Guy verewigte diese Spezies 1900 in ihrem Einminüter “La Concierge”. Die Zahl der Conciergen, die sich heute lieber “gardienne” nennen, geht rapide zurück, ein aussterbender Beruf, dessen Mythos bleibt. So taucht Mona Achache in ihrem von Muriel Barberys Bestseller “Die Eleganz des Igels” inspirierten Erstlingswerk tief ein in deren Alltag zwischen Briefe sortieren, Mülleimer leeren und Bürgersteig fegen, spielt mit den Klischees und stellt sie gleichzeitig auf den Kopf, schaut dabei in die fragile Seele ihrer Protagonistin, die brummig und ungepflegt die nötigen Dienste erledigt und sich im Geheimen in ihre versteckte Bibliothek zurückzieht, der Literatur und Schokolade frönt. Sie nennt ihren fetten Kater Leo – nach Tolstoi, wie der elegante und kultivierte Japaner schnell kombiniert, der ins Haus zieht und hinter der kratzbürstigen Fassade von Madame Michel eine liebevolle Frau entdeckt und sie sanft für eine zarte Liebesgeschichte weckt. Und da ist noch eine Elfjährige, die mit zwölf Jahren Selbstmord begehen möchte – nicht wegen einer Depression, sondern weil sie das Luxusleben im goldenen Käfig der Familie hasst und auch schon mal den Goldfisch der Schwester mit Pillen der tablettenabhängigen Mama füttert und mit der 8mm-Handkamera akribisch ihre Umwelt festhält. Diese drei liebenswerten und sonderlichen Einzelgänger, verwundbar, stolz und kraftvoll zugleich, finden sich als verschworenes Trio zusammen, das über soziale Barrieren hinweg dem unvorhersehbaren Leben neugierig neue Frische einhaucht und in seinem Mikrokosmos die Freiheit des Individuums feiert. Sie sind Verbündete gegen den Rest der Scheinwelt, die sich einigeln und wie die Hauptfigur Stacheln ausfahren, dennoch füreinander offen sind. Viel Wert legt Achache mit Kameramann Patrick Blossier auf die Abgrenzung der einzelnen Wohnkulissen in der Lichtsetzung. Sie legt kein harmonisches Feelgood-Movie vor, sondern eine melancholischen Komödie mit detaillierten Blick in Cinemascope für innere und äußerer Räume und komplexen Figuren, bestens verkörpert von der erfahrenen Josiane Balasko, der Newcomerin Garance Le Guillermic und dem zurückhaltenden Togo Igawa. mk.
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