Kalt geduscht von der enttäuschenden Aufnahme seines Hitchcock-Klons “Psycho” kehrt Gus Van Sant auf das Terrain seines vorletzten Films und größten Hits zurück. Ein Genius von der Straße aus der Gussform von Will Hunting und ein literarisches Phantom wie J.D. Salinger inspirieren sich gegenseitig, bis Freundschaft beider Leben verändert. Kommerziell verspricht dieses Filmangebot dank solcher Persönlichkeitsreibung und der Mitwirkung Sean Connerys viel und rechnet sich mit traditionellem Erzählverhalten auch Oscarchancen aus. Auffallend an Van Sants Drama, das seine Überlänge nicht begründen kann, ist der zurückgenommene Ton, der im Unterschied zu “Good Will Hunting” das große Gefühl, die melodramatischen Spitzen scheut, obwohl darauf hinführende Situationen durchaus und recht konventionell entwickelt werden. Ungewöhnlich auch Van Sants Weltbild, das sich vom einstigen Realismus entfernt und mit dem Märchenhaften flirtet. Friedlich wie die Bronx und die Homeboys gibt sich insgesamt auch der Film, auch wenn die Spitzen gegen den Rassismus, die akademische Doppelmoral (schwarzer Student gut für den Sportplatz, schlecht für den Hörsaal) und das Klassenbewusstsein auch innerhalb einer Minderheit unübersehbar sind. Im Mittelpunkt des Drehbuchs von Neuling Mike Rich steht das reizvolle Aufeinandertreffen des 16-jährigen Afroamerikaners Jamal (Newcomer Rob Brown mit Ghandi-gleicher Zentrierung und innerer Ruhe) mit einem legendären Einsiedler (Sean Connery, auch Koproduzent des Films), der seit Jahrzehnten seine Wohnung nicht mehr verlassen hat. Der exzentrische silberhaarige Exot in einer dominant schwarzen Nachbarschaft ist nach der ersten Begegnung mit Jamal zunächst der erwartete Brummbär, der aber schnell handzahm wird, nachdem er in den Notizbüchern des Jungen literarisches Talent erkennt. Dieses ist auch einer renommierten Privatschule nicht verborgen geblieben, die Jamal auch seiner Qualitäten als Basketballer wegen aufnimmt. Als zentraler dramatischer Konflikt des Films erweist sich das Misstrauen eines Literaturprofessors, der das hoch begabte Bronx-Original auf einen Kopisten reduziert. Dieses aus Frust und Eifersucht gespeiste Salieri-Syndrom befällt im Film F. Murray Abraham, der seine Charakterdisposition aus “Amadeus” abrufen darf. Von Jamals berühmtem Mentor, der in die Anonymität verschwundenen Literaturlegende Forrester, der niemand anderes als der Bronx-Eremit ist, ahnt er nichts. Größeren Durchblick hat da schon der Zuschauer, dessen Vorahnungen Handlung und Figuren des Films nie enttäuschen. So wird der Einsiedler wieder Kontakt zur Welt, Jamal Rehabilitation und Abraham seine Zurechtweisung bekommen. Wie viele andere Drehbücher zuvor unternimmt auch dieses keinen Versuch, künstlerisches Talent nicht nur zu behaupten, sondern auch zu beweisen. Worin die literarischen Qualitäten von Mentor wie auch Schüler bestanden, erfährt man nicht, zumal Van Sant in der Sequenz, wo sich dies auch ohne Pathos sehr gut zeigen ließe, sich in die Musik zurückzieht. So bleibt es bei einem routinierten, viele Themen anreißenden, leicht zugänglichen Stück Erzählkino, das auch ohne echte Brillanz in Buch und Regie seinen kommerziellen Weg gehen wird. kob.
Originaltitel: Finding Forrester Sprache: Deutsch/Englisch Untertitel: Deutsch/Englisch/Türkisch Regie: Gus Van Sant
Darsteller: Sir Sean Connery (William Forrester), Rob Brown (Jamal Wallace), F. Murray Abraham (Prof. Robert Crawford), Anna Paquin (Claire Spence), Busta Rhymes (Terrell), April Grace (Ms. Joyce), Michael Pitt (Coleridge), Michael Nouri (Dr. Spence), Richard Easton, Glenn Fitzgerald (Massie), Zane R. Copeland jr. (Damon), Stephanie Berry (Janice), Fly Williams (Fly), James T. Williams (Student), Damany Mathis (Kenzo), Damian Lee (Clay), Matthew Noah Word (John Hartford), Charles Bernstein (Dr. Simon)
Produktion: Laurence Mark Produktionsland: USA Produktionsjahr: 2000 Bildformate: 1:2,35/16:9 Ton: Dolby Surround Mehrkanalton: Dolby Digital 5.1 Laufzeit: 131 min.
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