Der längste und wohl teuerste Bond-Film aller Zeiten verlinkt Vergangenes und öffnet sich als seriöses Actiondrama einer vielleicht veränderten Zukunft. Dass sich die britische Doppelnull in der bisherigen Tradition überlebt zu haben scheint, damit spielen die Drehbuchautoren erneut auch thematisch und beenden den mit Daniel Craig eingeschlagenen Weg einer Neupositionierung mit einem noch ausgeprägteren Fokus auf Drama und Charaktere. Als Actionspektakel hat Bond mit “Bourne”, “Mission: Impossible” und diversen Comic-Epen längst mächtige Konkurrenz bekommen, doch der Remix des Franchises als ernsthaftes Agentenentertainment mit dosierter Action bringt auch mit “Spectre” einen großkalibrigen Event mit globaler Durchschlagskraft hervor. Der grandiose Prolog, in dem eine monumentale Totenprozession in Mexiko zur Kulisse für die Verhinderung eines Terroranschlags wird, ist ein frühes Highlight des Films. Hier beginnt die inhaltliche Verlinkung mit den vergangenen Abenteuern im Craig-Universum, die Bond mit einer Schnitzeljagd über Rom, Österreich, Nordafrika und schließlich England auf die Spuren der titelgebenden Organisation führt, die für seine Tour der Leiden in den letzten neun Jahren verantwortlich zeichnet. Deren von Christoph Waltz im gewohnten diabolisch-höflichen Psychopathenmodus gespielter Anführer ist 007 immer einen Schritt voraus, der durch eine Umstrukturierung der Geheimdienste obsolet zu werden droht, isoliert ist und auf die Hilfe von Figuren bauen muss, die im Vorgänger eingeführt oder neu besetzt wurden. M, Moneypenny und Q gehören nun zum geheimen, anfangs widerwillig verschwörerischen Rebellenteam Bonds – wie auch die mysteriöse Madeleine Swann (Léa Seydoux), die mehrfach von Bond gerettet werden muss und ihn dafür erstmals wieder Liebe erleben lässt. Ein klassisches Bondgirl, das auch austeilen kann, fehlt noch immer, dafür aber bietet Ex-Wrestler Dave Bautista als prügelnde Wand einen glaubwürdig gefährlichen Gegner. Seine Figur gehört zu den zahlreichen Querverweisen auf die Bondhistorie, deren platten Oneliner-Humor “Spectre” fast völlig den Rücken gekehrt hat. Neue Maßstäbe in Actionkompetenz setzt der visuell und tonal sehr elegante Bond 24 vielleicht nicht, der sich im Erzähltempo mitunter an Louis Armstrongs “We have all the time in the world” zu orientieren scheint. Aber im Craig-Universum weiß dieses intime Spektakel nach dem Fixstern “Casino Royale” durchaus zu leuchten – und zumindest in den Augen dieses Betrachters heller als der Megahit “Skyfall”. kob.
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