Große Gangster brauchen die besten Dokumentaristen: Michael Manns Rückschau auf John Dillingers Einzug in den Mythos der US-Kriminalgeschichte ist Actionkino der A-Klasse. “Public Enemies” hat nicht die Beziehungskomplexität und das emotionale Gewicht von “Heat”, aber dennoch ist die Große Depression nicht als Reaktions-, sondern nur als Zeitbeschreibung angebracht. Auch mit seiner zehnten Regiearbeit bleibt Mann der unerreichte Chronist des ewigen Duells zwischen Cops und Gangstern. Auch hier umkreist er seine Themen Loyalität und Verrat, Charakterparallelen bei kontrastierenden Lebensentwürfen, Prinzipientreue und Coolness selbst unter größter Hitze. Auf der Grundlage von Bryan Burroughs gleichnamigem Buch konzentriert sich das Skript auf die letzten 13 Monate Dillingers, der 1933, nach knapp neun Jahren, aus der Haft entlassen wird und sich mit großen Atemzügen auf das Leben in Freiheit stürzt. Wie schon in John Milius’ Biopic von 1973 ist Dillinger (Johnny Depp) ein harter Pragmatiker mit Humor und sporadischer Gentleman-Attitüde. Ein Mann, der Gewalt benutzt, aber nicht von ihr gesteuert wird, der auf sein Image in der Öffentlichkeit achtet, die mit ihm sympathisiert, weil er die verhassten Banken bluten lässt. Der Gangster als Volksheld, teils kalkuliert, teils selbst von der Rezeption überrascht, ist Spezialist für effektive Überfälle, liebt aber auch das Spiel mit seinen Verfolgern aus der Gründerzeit des FBI, das sich unter J. Edgar Hoover gerade zu einer Bundespolizei mit neuen Methoden und größeren Kompetenzen formiert. Dillingers Aufstieg zum “Public Enemy No.1”, den Agent Purvis (Christian Bale) unerbittlich jagt, ist so explosiv wie die Eroberung seiner großen Liebe Billie Frechette (Marion Cotillard) und Konsequenz des Bewusstseins einer ablaufenden Lebensuhr. Der Plot reißt das Paar mehrfach auseinander, aber Depp und Cotillard geben ihr Bestes, der Beziehung eine Tiefe zu geben, wie sie in “Heat” bei mehreren Charakteren spürbar war. Trotzdem ist “Public Enemies” vor allem ein Attacke-und-Flucht-Film, weniger Drama, das Handeln und Fühlen auf den Grund geht. Dillingers Überfälle und die Reaktion der Cops darauf bestimmen den Rhythmus der oft bestechend plastisch fotografierten Tommy-Gun-Saga, die in Nebensätzen herausarbeitet, wie Dillinger zwischen dem Erfolgszwang des FBI und den Syndikaten, deren Geschäfte durch seine Prominenz gefährdet wurden, zerrieben wurde. Die Annäherung zum meisterlichen Epos gelingt dem Film vor allem in der zweiten Hälfte, wenn sich unter den diversen Shootouts ein nächtlicher Waldangriff zu einer Mann-typischen Brillantsequenz entwickelt, wenn Realität und Hollywood bei einem Kinobesuch Dillingers verschmelzen, der letztlich seinen Tod besiegelte. Ein perfektes, dazu noch wahres Ende für einen Mann, der Zelluloid liebte und es irgendwie auch lebte. kob.
Originaltitel: Public Enemies Sprache: Deutsch dts 5.1/Englisch dts HD 5.1 MA/Spanisch dts 5.1/Italienisch dts 5.1 Untertitel: Deutsch/Englisch/Französisch/Spanisch/Italienisch/Dänisch/Finnisch/Koreanisch/Mandarin/Niederländisch/Norwegisch/Portugiesisch/Schwedisch Regie: Michael Mann
Darsteller: Johnny Depp (John Dillinger), Christian Bale (Melvin Purvis), Marion Cotillard (Billie Frechette), Billy Crudup (J. Edgar Hoover), Stephen Dorff (Homer Van Meter), Stephen Lang (Charles Winstead)
Produktion: Kevin Misher Produktionsland: USA Produktionsjahr: 2009 Bildformate: 1:2,40/16:9 Mehrkanalton: dts Laufzeit: 140 min.
Kritik: Gangster und Cops bestimmen den Kinokosmos von Michael Mann, vollendet zum Ausdruck gebracht in “Heat”. Dessen Beziehungskomplexität und emotionale Tiefe erreicht “Public Enemies” nicht, bleibt aber trotzdem ein Filmevent der Spitzenklasse. Stark besetzt in Haupt- und Nebenrollen, plastisch mit Digitaltechnik fotografiert und getragen von jeder Menge Action. Von den vielen Shootouts reiht sich ein nächtlicher Waldangriff in Manns Meistersequenzen ein, unter denen sich auch das elektrisierende Finale einen Platz verdient.
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