Das aktuelle antichinesische Sentiment in Hollywood – präsent in Filmen wie “Sieben Jahre in Tibet” und Scorseses “Kundun” – verärgerte die Regierung in Peking dermaßen, daß der Filmindustrie bereits eine harsche Warnung ausgesprochen wurde. Der melodramatische Propaganda-Thriller “Red Corner” mit Richard Gere, dem seit Jahren engagierten Vorreiter der “Free Tibet”-Bewegung, nimmt mit seiner Kritik am totalitären System der “Roten Macht” kein Blatt vor den Mund, verpackt sie aber gleichzeitig in einen von Jon Avnet kompetent inszenierten Reißer im Stil von “Midnight Express”. Gere mimt den sarkastischen Entertainment-Anwalt Jack Moore, der im Auftrag eines US-Konglomerats in Peking einen Satelliten-Deal abschließen soll. Den bevorstehenden Erfolg feiert er in Champagnerlaune mit einem hübschen Model (Jessey Meng), das nach ihrer gemeinsamen Nacht ermordet in seinem Hotelzimmer aufgefunden wird. Von Soldaten abgeführt, macht der desorientierte und seine Unschuld beteuernde Moore Bekanntschaft mit dem archaischen Justizapparat seines Gastgeberlandes. Er erfährt, daß “dem Geständigen Milde widerfährt, den Reulosen aber Härte erwartet”. Ergo wird ihm von seiner Pflichtverteidigerin Shen Yuelin (Bai Ling) zu einem Geständnis geraten, sonst könnte innerhalb einer Woche sein Todesurteil vollstreckt werden. Nach etlichen dramatischen Verwicklungen wird Moore schließlich freigesprochen und durchlebt mit seiner attraktiven Anwältin einen “Casablanca”-inspirierten Abschied. Regisseur Jon Avnet (“Grüne Tomaten”, “Aus nächster Nähe”) emotionaler, manchmal poetisch-philosophierender Politkommentar mischt etliche Elemente aus “Die Wiege der Sonne” und Gefängnismißhandlungen à la “Midnight Express” mit konventionellem Gerichtssaaldrama. Laut Produktionsnotizen wurde viel Wert auf die Authentizität der Verhandlungsszenen gelegt, die ein extrem reaktionäres Bild vom China der neunziger Jahre zeichnen. Der strenge, von der repressiven chinesischen Regierung forcierte Moralkodex trifft – personfiziert von Gere als ruchlosem Kapitalisten – auf westliche Dekadenz (Alkohol und sexuelle Promiskuität). Das Bindeglied stellt Bai Lings Figur dar, die als Kind der Kulturrevolution schließlich Verantwortung übernimmt und sich für ein modernes, reformiertes China einsetzt. Gere ist effektiv als zunächst selbstgefälliger Erfolgsmensch, der sich auf der sozialen Leiter plötzlich ganz unten wiederfindet. Doch die schauspielerische Show gehört Ling, die ihr persönliches wie professionelles Dilemma fein nuanciert zu porträtieren weiß. Obwohl den Filmemachern die Drehgenehmigung vor Ort verweigert wurde, gelang es, die Atmosphäre Pekings mittels vom Computer eingefügter Aufnahmen und detailgetreuer Nachbauten (beispielsweise bei einer Verfolgungshatz über die Dächer der Stadt) erstaunlich realistisch zu rekonstruieren. Karl-Walter Lindenlaubs Kameraarbeit weiß ebenfalls zu überzeugen. ara.
Originaltitel: Red Corner Sprache: Deutsch DD 5.1/Englisch DD 5.1/Französisch DD 5.1/Spanisch DD 5.1/Italienisch DD 5.1 Untertitel: Französisch/Spanisch/Italienisch/Dänisch/Dt. f. Hörg./Engl. f. Hörg./Finnisch/Niederländisch/Norwegisch/Polnisch/Portugiesisch/Schwedisch Regie: Jon Avnet
Darsteller: Richard Gere (Jack Moore), Bai Ling (Shen Yuelin), Bradley Whitford (Bob Ghery), Byron Mann (Lin Dan), Peter Donat (David McAndrews), Robert Stanton (Ed Pratt), Tsai Chin (Vorsitzender Xu), James Hong (Lin Shou), Tzi Ma (Li Cheng), Ulrich Matschoss (Gerhardt Hoffman), Richard Venture (Botschafter Reed), Jessey Meng (Hong Ling), Roger Yuan (Huan Minglu), Li Chi Yu (General Hong)
Produktion: Jon Avnet Produktionsland: USA Produktionsjahr: 1997 Bildformate: 1:1,85/16:9 Ton: Dolby Surround Mehrkanalton: Dolby Digital 5.1 Laufzeit: 117 min. Features: Audiokommentar, US-Kinotrailer
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