Der große César-Abräumer zeichnet das beeindruckende Porträt der französischen Putzfrau und Malerin Séraphine Louis, eine zentrale Vertreterin der naiven Kunst. Wie so vielen Franzosen war Séraphine Louis kein Begriff für Regisseur Martin Provost, der erst einmal Daten sammelte, um in die geheimnisvolle Welt der Künstlerin einzudringen. Ein Kinostoff par excellence, denn hier geht es nicht um den linearen Aufstieg eines Talents, sondern um den tragischen Werdegang eines Menschen in seiner Widersprüchlichkeit und seiner nur sehr schwer zugänglichen Welt, kein Leben als Abfolge starker Momente, sondern eine Aneinanderreihung von vordergründigen Nichtigkeiten des Alltags und Rätseln um eine Person, die nicht in das Image des visionären Künstlers passt. Dabei war Séraphine Louis eine Visionärin, für die das Malen so wichtig war wie Essen und Trinken. Eingeführt wird sie als Haushälterin des deutschen Kunstsammlers Wilhelm Uhde (Ulrich Tukur), der 1912 in das französische Städtchen Senlis zieht, um fernab vom Pariser Trubel sich dem Schreiben zu widmen. Die eigenwillige Séraphine wäscht und kocht bei ihm und anderen Familien. Jede freie Minute verbringt sie mit Malen, aus geklautem Blut beim Metzger und flüssigem Wachs aus der Kirche rührt sie nächtens ihre Farben an. Als Uhde eines ihrer Bilder sieht, fördert er ihre Arbeit und macht der von den Nachbarn belächelten Frau Hoffnung auf eine große Karriere. Der Entdecker von Picasso und Henri Rousseau plant eine Ausstellung in der Seine-Metropole und Séraphine genießt die finanzielle Fürsorglichkeit des Mentors. Ihre Flucht in die psychische Erkrankung und der Erste Weltkrieg, der Uhde zwingt, Frankreich zu verlassen, beenden die Hoffnung auf eine Weiterführung ihres Werks. Nüchtern und mit einer gewissen Zurückhaltung beobachtet Provost, wie die Autodidaktin die ihr verbleibende Zeit wie eine Wahnsinnige nutzt und zeigt sie als eine von mystischen Mächten Getriebene und Uhde als ambivalente Persönlichkeit, die trotz Integrität und moralischer Stärke menschlich versagt. Dabei arbeitet er mit relativ statischer Kamera und langen Einstellungen, es zählt die Stille, nicht der Dialog. Warme Farben dominieren nur in Séraphines Bildern, bei Ausstattung und Kostüm herrschen kühle Farbe wie blau, schwarz und grün vor, kein weiß. Dreh- und Angelpunkt dieses berührenden Biopics ist die in Brüssel geborene Yolande Moreau (César als Beste Schauspielerin und Nominierung für den Europäischen Filmpreis) in ihrer Unförmigkeit und stoischen Ruhe. Eine Frau ganz unten auf der sozialen Leiter, die aber in der Kunst ihrer Zeit voraus war. mk.
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