Noch einmal auf Anfang: “The Amazing Spider-Man” erzählt die Geburt des Marvel-Superhelden noch einmal neu, als manische und aggressive Suche nach dem eigenen Ich. Es gebe letztendlich überhaupt nur eine Geschichte, doziert Peter Parkers Literaturlehrerin am Ende von “The Amazing Spider-Man”: die Suche nach dem Ich. Comicfans erzählt man damit nichts Neues. Das Universum der diversen Superhelden ist ein einziges Pantheon gespaltener, gebrochener, zweifelnder Egos auf der Suche nach sich selbst und ihrem Platz in der Welt, so feindseilig sie ihnen gesonnen oder so fremd und weit von ihrer Heimat sie sein mag. Man liegt also nicht falsch, wenn man sagt, dass auch schon Sam Raimis “Spider-Man” von 2002, der erste Film über die Geburt des Spinnenmanns, sich mit diesem Topos befasste, nur eben in Form einer strahlend hellen Allegorie über die Pubertät und das Jungsein. Wenn es jemals eine perfekte Metapher in einem Mainstreamfilm über die Freuden der Masturbation gab, dann war es jener Moment, in dem Peter Parker erstmals weiße Spinnenfäden aus seinem Handgelenk schießt. “Spider-Man” war ein himmelhoch jauchzender Film, dem es als letzte große Produktion gestattet war, unmittelbar nach 9/11 von Unschuld und Unbeschwertheit zu erzählen. “The Amazing Spider-Man” hat nun ebenfalls die Entstehung des über lange Jahre beliebtesten Kinosuperhelden, mittlerweile abgelöst von Batman sowie den Avengers, zum Thema. Er geht von derselben Prämisse und Personenkonstellation aus. Aber er könnte sich kaum mehr von Raimis “Spider-Man” unterscheiden, in dem erst in der zweiten Hälfte erste dunkle Wolken aufzogen: Marc Webbs Vision ist spürbar düsterer, ernster, weniger verspielt, aggressiver, vielleicht auch freudloser – und könnte auch gar nicht anders sein, weil er seine Figuren eben in einer veränderten Welt auftreten lässt, in der sich ein unbeschwerter Blick nach vorn verbietet. Obwohl man die Versatzstücke kennt, ist die Ballade vom einsamen Jungen im Großstadtdschungel von New York weder mit Reboot noch Reload passend umschrieben. Es ist vielmehr ein Remix, der das Original radikal dekonstruiert und als etwas Eigenes neu auferstehen lässt. Peter Parker ist hier kein netter Junge von Nebenan, dem unerhörte Dinge widerfahren, die sich außerhalb seiner Kontrolle befinden, sondern von Anfang ein Getriebener, dessen Suche nach dem Grund des spurlosen Verschwindens seines Vaters, als er ein kleiner Junge war (letzte Worte: “Sei gut!”), Triebfeder für die Entwicklung der Handlung ist, für die Geburt nicht nur von Spider-Man, sondern auch die Genese seines Gegenspielers, Lizard, das mutierte Alter Ego des ehemaligen Partners von Peters Vater, Dr. Curt Connors. Der ganze Film beruft sich stärker auf Wissenschaft und lässt sich vielleicht auch deshalb nur wenig Zeit, einmal zu verweilen und seinem Publikum die Gelegenheit zum Staunen über die makellos entworfene Welt und die perfekten Effekte zu geben. Webb hält das Tempo rasend hoch, hakt die entscheidenden Plotpoints routiniert ab, aber gönnt sich nur ganz selten Momente jener Verspieltheit, die sein Debüt “(500) Days of Summer” so hinreißend gemacht hatten: Einen begnadeten Einfall wie die Musicalnummer zu dem Hall & Oates-Song “You Make My Dreams Come True” sucht man vergebens. Dafür profitiert “The Amazing Spider-Man” von einem interessanteren Hauptdarsteller: Andrew Garfield legt seinen Peter Parker als linkischen, unsicheren Teenager an, der die unterschwellige Wut, die unter seiner nervösen Oberfläche schlummert, kaum in Zaum halten kann. Er ist ein Junge im Krieg mit sich und der Welt, die ihn im Zaum hält – und sein Comingout als “Spider-Man” erlaubt es ihm erstmals, der Umwelt überheblich, fast arrogant Paroli zu bieten. Der begnadetste Einfall der Macher war es, Peter diesmal zu gestatten, die Existenz von Spider-Man Menschen, die ihm nahestehen, zu offenbaren: Der smarten Gwen Stacy, gespielt von Emma Stone, deren Herz Peter gewinnt, könnte man ohnehin nichts vormachen. Das erhöht die Emotionalität – und natürlich auch die Spannung, weil es nicht nur um einen Jungen vs. mutierte Echse geht, auch wenn dieser Konflikt natürlich für den effektiven Showdown in schwindelerregender Höhe sorgt: Hier wird noch einmal die Botschaft des Films in wilder Action unterstrichen: Man muss seine Schwächen akzeptieren, wenn man gewinnen will. In diese Richtung macht der vierte “Spider-Man” einen großen Schritt, weg vom unsäglichen Bombast des dritten Teils, der das Franchise zu versenken drohte, hin zu einer entschlackten Fiebrigkeit, die gerne noch etwas mehr Lässigkeit und Glauben an sich selbst vertragen könnte. ts.
Originaltitel: The Amazing Spider-Man Sprache: Deutsch DD 5.1/Englisch DD 5.1/Italienisch DD 5.1/Türkisch DD 5.1 Untertitel: Deutsch/Englisch/Italienisch/Türkisch/Dänisch/Finnisch/Norwegisch/Schwedisch Regie: Marc Webb
Darsteller: Andrew Garfield (Spider-Man / Peter Parker), Emma Stone (Gwen Stacy), Rhys Ifans (Dr. Curt Connors), Denis Leary (Captain George Stacy), Campbell Scott (Richard Parker), Irrfan Khan (Dr. Ratha), Martin Sheen (Onkel Ben), Sally Field (Tante May), C. Thomas Howell (Ray Cooper)
Produktion: Laura Ziskin Produktionsland: USA Produktionsjahr: 2012 Bildformate: 1:2,40/16:9 Mehrkanalton: Dolby Digital 5.1 Medienanzahl: 2 Laufzeit: 131 min.
Filmpreise: Name: Video Download Award Jahr: 2012 Kategorie: 100.000 bezahlte Downloads in 100 Tagen Features: Featurettes, Entfallene Szenen, Audiokommentar, u.a.
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