Die Coen-Brüder liefern mit der phänomenalen Neuadaption des John-Wayne-Westernklassikers “Der Marschall” (1969) – dem Titel entsprechend draufgängerisch – ihren bislang kommerziellsten Film. Dabei orientieren sich die Coens für ihren nach “No Country For Old Men” zweiten Abstecher ins Westerngenre nicht nur an Henry Hathaways Inszenierung, sondern vor allem an Charles Portis’ Romanvorlage “Die mutige Mattie” aus dem Jahr 1968. Darin erinnert sich eine alte Jungfer wie sie in den Pioniertagen des Wilden Westens als eigensinnige Vierzehnjährige zwei Kopfgeldjäger anheuerte und begleitete, um den Mörder ihres Vaters dingfest zu machen. In dieser Rolle des unbeirrbaren jungen Mädchens, das sich in einer rauen Männerwelt nicht unterkriegen lässt, erweist sich Neuentdeckung Hailee Steinfeld als Perfektbesetzung. Sie kann sich durchaus gegenüber ihren hochkalibrigen Kostars Jeff Bridges, in der Wayne-Rolle des knorrigen Marschalls Rooster Cogburn, und Matt Damon, im Glenn-Campbell-Part als eitler Texas Ranger La Boeuf, behaupten. Bridges verpasst Cogburn seinen eigenen unverkennbaren Stempel, womit er Wayne (der für die Verkörperung dieser ikonischen Figur seinen einzigen Oscar erhielt) zwar nicht das Wasser abgräbt, aber auch nicht in dessen Schatten bleibt. Ausgerüstet mit Augenklappe und Whiskey-getränkter Reibeisenstimme, die seinen Dialog oftmals unverständlich macht, kreiert “The Dude” Bridges ein uriges Unikum, dessen harte Schale einen weichen Kern verdeckt. Nur widerwillig geht Cogburn einen Deal mit der hartnäckigen Mattie ein, Tom Chaney (Josh Brolin), den feigen Killer ihres Vaters Frank Ross zur Verantwortung zu ziehen. Dafür gilt es sich in gefährliches Indianerterritorium zu begeben, wo sich zudem noch andere Outlaws tummeln. Zu Matties Unbill macht Cogburn mit Texas Ranger La Boeuf gemeinsame Sache, den sie als lächerlichen Rodeo-Clown abkanzelt. Zu dritt reiten sie durch die karge weitläufige Winterlandschaft und werden alsbald mit allerhand Problemen inklusive lebensgefährlichen Shootout konfrontiert. Die emotionale Dynamik des Trios wandelt sich allmählich und gegenseitiger Respekt und selbst leise Anklänge von väterlicher und romantischer Liebe lassen sich ausmachen. Nach langer Odyssee laufen sie schließlich Chaney und seiner Gang über den Weg und es kommt zum tragischen Showdown. Die Coens durchleuchten einmal mehr einen mit exzentrischen Figuren bevölkerten Kosmos, der nicht nur aufgrund des PG13-Ratings einer breiteren Publikumsschicht zugänglich ist. Sie verzichten auf extreme Gewalteruptionen, an dramatischer Spannung mangelt es dennoch nicht. Nach dem Oscar für “No Country For Old Men” setzen die Brüder ihren kreativem Höhenflug fort. “True Grit” erscheint als eine weitere absolut mühelos elegante Fingerübung. Alles fügt sich nahtlos zu einer erstklassigen Inszenierung zusammen: eine packende Story um Rache und Kameradschaft, bildgewaltige Kompositionen erhaben von Coen-Regular Roger Deakins in Texas und New Mexico gefilmt, großartige schauspielerische Leistungen und ein relativ konventioneller Score von Carter Burwell (als Ode an unverwüstliche Mädchen im Kampf gegen das Böse würde der Song “Leaning on Everlasting Arms” aus “Night Of The Hunter” untergebracht). Fürwahr eine wahre Filmfreude. ara.
Darsteller: Jeff Bridges (Rooster Cogburn), Matt Damon (La Boeuf), Hailee Steinfeld (Mattie Ross), Josh Brolin (Tom Chaney), Barry Pepper (‘Lucky’ Ned Pepper), Bruce Green (Harold Parmalee), Dakin Matthews (Col. Stonehill), Paul Rae (Emmett Quincy), Ed Corbin (Bear Grit)
Produktion: Ethan Coen Produktionsland: USA Produktionsjahr: 2010 Bildformate: 1:2,35/1080p Mehrkanalton: Dolby Digital 5.1 Laufzeit: 110 min.
Filmpreise: Name: Video Champion Jahr: 2011 Kategorie: Internationaler Film Features: Featurettes, Trailer
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