Shakespeare wäre sicherlich erstaunt, bekäme er die neueste Adaption seines zeitlosen Romantikklassikers vor Augen. In Baz Luhrmanns (“Strictly Ballroom”) superstylisierter Popkulturversion wurde die anrührendste Liebesgeschichte aller Zeiten in die Gegenwart verlegt, wo statt hoher Rösser und scharfer Schwerter, schnittige Cabriolets und abgefahrene Designer-Pistolen, unterlegt mit aggressiv-rockigen Rhythmen, die sonnig-schmuddelige Szenerie von Verona (Beach) beherrschen. Geblieben ist der Original-Dialog und die ergreifende Liebe des tragischen Titelpaares, die von Leonardo DiCaprio und Claire Danes zwar nicht makellos, aber doch ordentlich zu modernem Leben erweckt wird. Die Ambivalenz der Tragödie, in der Jugend und Liebe mit Haß und Tod konfrontiert werden, überspitzt sich der bei Luhrmann’schen Inszenierung teilweise bis zur Farce, indem quasi jedem klassischen Element ein zeitgemäßes gegenüber gestellt wird. Die beinahe cartoonartige Zweischneidigkeit reicht von Äußerlichkeiten wie Accessoires (45er Colts werden mit der Eleganz eines Schwertes geführt), Kostümen (Hawaiihemden, schwarzer Straßendesperado-Look und fließende Roben) und Bauten (Wolkenkratzer neben stilvollen Palazzi) zu Versuchen, die starre Ernsthaftigkeit der Vorlage mit humorvollen, gar slapstickartigen Momenten aufzubrechen. Bewirkt wird diese wohl nicht jedermann ansprechende Komik mit an Stummfilmen erinnernder Beschleunigung der Filmgeschwindigkeit, der starken Verfremdung von Mercutio (Harald Perrineau), Romeos treuester Freund, der hier als extravangante Drag Queen über die Stränge schlägt, und der Darstellung von Julias Mutter als affektierter Zicke. Die Liebe zwischen Romeo und Julia hat auch in dieset bizarren Freakshow nichts von ihrer zeitlosen Wirkung verloren, so daß die unvergängliche Emotion im Gewand moderner Trendiness eine neue Generation von Teenagern (vor allem junge Mädchen) in den Bann ziehen wird. Bereits die Opening-Sequenz zeigt, daß hier kräftig entstaubt wurde: Der Prolog wird am Bildschirm von einer schwarzen TV-Nachrichtensprecherin angesagt, während mit hektisch schnellen Schnitten wird Dynamik erzeugt wird. Das wahnwitzige Editing und die atmosphärische Kameraarbeit unterstreichen den innovativen Look der Produktion. Der zeitgemäße Soundtrack fungiert als fortwährende Zelebrierung des omnipräsenten Anachronismus und sorgt überdies für eine köstliche Pointe, wenn ein Knabenchor in Vater Laurence (Pete Postlethwaite perfekt als tätowierter New-Age-Pastor) Princes “When Doves Cry” intoniert. Teenagerschwarm DiCaprio (“Gilbert Grape”) legt seinen Romeo als charmanten James-Dean-Typ an, und Neuentdeckung Danes (“Betty und ihre Schwestern”) strahlt genau das richtige Maß an Unschuld und Verträumtheit aus. Über gewisse, nicht übermäßig auffallende Ungelenk- und Unbeholfenheit beim Vortragen der Verse läßt sich daher auch geflissentlich hinwegsehen. Mit der Transparenz von Franco Zeffirellis spirituell-religiösen Meisterwerk aus dem Jahr 1968 kann Baz Luhrman nicht gleichziehen, doch das ist auch sicherlich nicht das erklärte Anliegen des Filmemachers. Vielmehr ist das Kunststück gelungen in der anhaltenden Flut von Shakespeare-Verfilmungen auch eine einfallsreiche und maßgeschneiderte Experimental-Aufbereitung für die MTV-Generation zu realisieren, bei der ein Höchstmaß an Konzentration nicht erforderlich ist. ara.
Originaltitel: William Shakespeare’s Romeo + Juliet Sprache: Deutsch DD 5.1/Englisch DD 5.1 Untertitel: Dt. f. Hörg./Engl. f. Hörg. Regie: Baz Luhrmann
Darsteller: Leonardo DiCaprio (Romeo), Claire Danes (Juliet), Brian Dennehy (Ted Montague), John Leguizamo (Tybalt), Pete Postlethwaite (Father Laurence), Paul Sorvino (Fulgencio Capulet), Diane Venora (Gloria Capulet), Harold Perrineau (Mercutio), Paul Rudd, Jesse Bradford, Dash Mihok, Miriam Margolyes, Vondie Curtis-Hall, Christina Pickles, M. Emmet Walsh
Produktion: Gabriella Martinelli Produktionsland: USA Produktionsjahr: 1996 Mehrkanalton: Dolby Digital 5.1 Laufzeit: 113 min.
Filmpreise: Name: Internationale Filmfestspiele in Berlin Jahr: 1997 Kategorie: Silberner Bär, bester Darstelle Features: Audiokommentar, Bildergalerie
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